75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

 

Weihnachtskarte von Franciscans International 2012

Am 10. Dezember 1948 verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Ein Beitrag von Markus Heinze…

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte formuliert in 30 Artikeln bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Viele der seit 1948 geschlossenen Übereinkommen, Gesetze und Verträge basieren auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, etwa regionale Menschenrechtsabkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention. Als Erklärung der UN-Generalversammlung hat sie nicht die rechtsverbindliche Kraft eines Vertrages, der von Einzelstaaten ratifiziert werden kann, doch hat sie politisch und moralisch ein sehr großes Gewicht.

Internationale Menschenrechtscharta

Um den Menschenrechten, die in der Allgemeinen Erklärung enthalten sind, eine völkerrechtlich verbindliche Form zu geben, verabschiedeten die Vereinten Nationen 1966 zwei Menschenrechtspakte: den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt), die beide 1976 in Kraft traten. Zusammen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den zwei Zusatzprotokollen zum Zivilpakt bilden sie die so genannte internationale Menschenrechtscharta (International Bill of Human Rights), ein Begriff, der vor allem im englischsprachigen Raum gebräuchlich ist.

 

Greccio und Menschenrechte

von Markus Heinze

Diese Weihnachtskarte mit den Wandgemälden von Greccio hatte ich vor elf Jahren entworfen, als ich meine Arbeit als Geschäftsführer der franziskanischen Menschenrechtsorganisation Franciscans International begann.

Das Fresko, das sich an einer Felswand in einer Grotte in den Bergen von Greccio befindet, projizierte ich auf die Mauer, die vom Staat Israel um Betlehem herum errichtet wurde. Vor der Mauer sind zwei israelische Soldaten zu sehen, deren Weg sich mit dem einer palästinensischen Frau kreuzt. Mit diesem Bild wollte ich auf die Situation von Frauen aufmerksam machen, die zur Entbindung ihrer Kinder eine schwierige und langwierige Prozedur auf sich nehmen mussten, um einen Checkpoint an der Mauer passieren zu können, um ein Krankenhaus zu erreichen.

Diese Karte führt uns in drei Zeitepochen: die Zeit, in der Jesus in Betlehem geboren wurde (rechte Seite des Gemäldes), die Zeit des heiligen Franziskus, der die Geburt Jesu in einer Grotte bei Greccio feierte (linke Seite des Gemäldes), und schließlich in die Gegenwart in Betlehem. Wir glauben, dass Gott in der Geburt Jesu Mensch wurde. Gott wird Teil dieser Welt und tritt als Mensch in die Geschichte der Welt ein. Das sogenannte Martyrologium, das zu Beginn der Weihnachtsliturgie verlesen wird, macht deutlich, dass die Geburt Jesu in der ganz konkreten Geschichte stattfand: eingebunden in die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation »im 42. Jahr der Regierung des Kaisers Oktavianus Augustus«. Bei diesem Weihnachtsgeschehen handelt es sich aber nicht nur um ein Geschehen, das vergangen ist und spätestens mit dem Tod Jesu am Kreuz »Geschichte« ist: Wir glauben, dass Gott in jedem Menschen präsent ist, dass alle Menschen, als Schwestern und Brüder Jesu, Anteil haben an der Gotteskindschaft. Gott wird Mensch und heiligt damit jeden Menschen. Die unbedingte und unveräußerliche Würde, die einem jeden Menschen durch die Gottebenbildlichkeit zukommt, wird gewissermassen bekräftigt, bestätigt und erneuert in dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Franziskus war ganz und gar überzeugt und geprägt von diesem Glauben, und er wusste sich von Gott gerufen, diese Wirklichkeit durch sein Leben zu verkünden. Mit der Weihnachtsfeier in einer Felsgrotte bei Greccio wollte er seinen Brüdern und den Menschen in der Umgebung von Greccio dieses Geheimnis von der Menschwerdung Gottes und damit auch von der Würde des Menschen nahebringen. Nur wenige Jahre zuvor war er selbst während eines Kreuzzuges beim Sultan und konnte persönlich erfahren, dass auch die Menschen muslimischen Glaubens seine Schwestern und Brüdern sind; dass sie genauso Gottes Kinder sind mit der gleichen Würde wie alle Menschen. Umso mehr schmerzten ihn die kriegerischen Auseinandersetzungen der sogenannten Kreuzzüge. Die franziskanische Ordensregel, die ebenfalls genau vor 800 Jahren von der Kirche offiziell bestätigt wurde, wird von Franziskus in der Aufforderung zusammengefasst: »das Evangelium zu beobachten«. Die Brüder sollen durch ihr Leben das Evangelium, die frohe Botschaft verkünden.

Am 10. Dezember dieses Jahres begehen wir ein weiteres Jubiläum:

Es werden dann genau 75 Jahre sein, dass die Vereinten Nationen die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« verkündeten. Diese Rechte gründen sich auf der Überzeugung eben jener unveräußerlichen und unbedingten Würde, die jedem Menschen zukommt – allein aufgrund seines Menschseins. Als Franziskanerinnen und Franziskaner sind wir überzeugt, dass der Einsatz zur Verteidigung dieser Menschenrechte einhergeht mit unserer franziskanischen Berufung, das Evangelium zu beobachten, das Evangelium durch unser Leben und Handeln zu verkünden.

Weihnachten 2023, das Fest der Geburt Jesu in Betlehem, findet erneut in einem verheerenden Kontext statt: vor allem mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse in dem vor 75 Jahren ausgerufenen Staat Israel und den von ihm besetzten Gebieten Palästinas; mit Blick auf die brutal durch Kämpfer der Hamas ermordeten Menschen in Israel und die mittlerweile wohl über 10.000 durch den israelischen Militäreinsatz in Gaza getöteten Menschen. Und vergessen wir nicht all die anderen unzähligen Kriege und gewaltsamen Konflikte: in der Ukraine, im Jemen, im Sudan, in Myanmar, auf den Philippinen, in Nicaragua, in Guatemala … Nicht nur die Geburt Jesu, die Menschwerdung Gottes, ereignet sich zu allen Zeiten und an allen Orten dieser Welt, auch die »Kreuzigungen« nehmen kein Ende. Die Botschaft Jesu von der Liebe Gottes, von seiner Präsenz in unserem Leben scheint fast unglaublich. Und doch glauben wir: Gott wird Mensch, Gott ist gegenwärtig auch und gerade in all den schrecklichen und unmenschlichen Gräueltaten. Der Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus, der Aufruf des heiligen Franziskus, das Evangelium zu beobachten, der Aufruf der Vereinten Nationen, die Würde eines jeden Menschen zu achten fordert uns heraus, konsequent für die Rechte und die unveräußerliche Würde jedes Menschen einzutreten.

Markus Heinze OFM

Markus Heinze OFM ist bis Jahresende 2023 Geschäftsführer der franziskanischen Nichtregierungsorganisation bei den Vereinten Nationen »Franciscans International«. Zur Zeit arbeitet der deutsche Franziskaner seinen Nachfolger Blair Matheson ein, um einen guten Übergang zu gewährleisten.