Hoffnungsschimmer der Woche

Gutes > Dank > Ermutigung >> Der Hoffnungsschimmer der Woche

Gegen alles Dunkle und Belastende in unserer Welt gibt es einen Lichtstrahl der Hoffnung. Regelmäßig erzählen Menschen ihre „Frohe Botschaft“, ihre „Gute Nachricht“, einen Hoffnungsmoment des Alltags.

(c) Joshua-Woroniecki-Pixabay

Lieber Bruder Papst Leo

Ich freue mich über deine Wahl. Ich freue mich unbändig, dass mit Dir ein Mann der missionarischen Kirche, ein Mann wahrer Interkulturalität, ein „Hirte, der nach Schafen riecht“, zum Papst gewählt wurde. Und ich bin dankbar, dass Deine Wahl Kontinuität mit dem Wirken Papst Franziskus verheißt. Er hat wieder ins Zentrum der Kirche gerückt, was ins Zentrum gehört: das bedingungslose Engagement für die Verletzlichen, Marginalisierten, für die „Weggeworfenen“. Das ist jesuanische Praxis und dafür gilt es alle unsere Kräfte zu mobilisieren. Die Wahl Deiner Person und der Name Leo, den Du für Dich gewählt hast, lassen mich hoffen, dass Du die Kirche weiter auf diesem eingeschlagenen Weg voranführst.

Ich selbst bin Ordensfrau, Lehrerin der Theologie. Gemeinsam mit meinen Studierenden, alles junge Ordensmänner, habe ich vergangen Donnerstag, den 8. Mai 2025, in einem kleinen Hörsaal in El Salvador auf Handy und Laptop gebannt mitverfolgt, wie der weiße Rauch aufstieg. Wir haben uns mitreißen lassen von der Stimmung der jubelnden Menge auf dem Petersplatz. Wir haben Dein erstes „der Friede sei mit euch“ gehört – und wir waren glücklich über dieses kraftvolle Wort, hinein in eine von Kriegen gepeinigte Welt! Und als Du Dich an uns in spanischer Sprache gewandt hast, und Deine Hochachtung vor dem Glauben der Lateinamerikaner ausgedrückt hast, da war kein Halten mehr.

Ich weiß mich Dir tief verbunden

Bruder Leo, ich weiß mich Dir tief verbunden, in deinem Engagement für eine arme Kirche, für eine Kirche der Armen. Wir sind ungefähr gleich alt und uns verbindet eine ähnliche Biographie: die Berufung zum Ordensleben, die theologische Ausbildung im Windschatten des Zweiten Vatikanischen Konzil, das Auszuziehen aus dem, was die eigene kulturelle Identität bedeutet; aus dem globalen Norden, aus einer privilegierten Gesellschaft, um in Lateinamerika unsere neue Heimat zu finden; dort, wo wir so unmittelbar mit dem konfrontiert sind, was die imperialistische Politik der „entwickelten Länder“ in anderen Teilen der Welt anrichtet.

Ich teile mit Dir das Glück, was es bedeutet, als Schwester, als Bruder von Menschen aufgenommen zu werden, an einem Ort, an dem das Evangelium unmittelbare Relevanz hat, in einer Kirche, in der man nicht künstlich nach der Bedeutung des Glaubens suchen muss, sondern in der der Glaube für so viele das tägliche Brot zum Überleben ist.

Bruder Papst, vor 50 Jahren habe ich meinen bewussten Weg in der Kirche mit der selbstverständlichen, vielleicht naiven Zuversicht begonnen, dass es nur eine Frage von wenigen Jahren wäre, bis wir in der Kirche zur umfassenden Geschwisterlichkeit gefunden hätten; zu einer Kirche, in der es keine Hierarchien mehr geben wird, die auf das Geschlecht gegründet wären. Ich habe auf eine Kirche gesetzt, die sich an Jesus und seiner Praxis orientiert, an seiner Weise, Frauen und Männern zu begegnen, eine Kirche, die deshalb, ohne Wenn und Aber die einfache Wahrheit in Praxis umzusetzen wird: „nur einer ist euer Vater, der im Himmel“ (Mt 23,9), ihr alle aber seid Schwestern und Brüder!

Vernünftiger und zugleich sensibler Mann

Leo, du bist ein vernünftiger und zugleich sensibler Mann. Als ich Deine kurze und klare Ansprache hörte, war ich sehr dankbar, weil Deine Nüchternheit und Rationalität so wohltuend vom populistischen und irrationalen Gedöns der Machos, die gegenwärtig die Welt beherrschen, abstechen. Und Du bist Kirchenrechtler. Du weißt, wie viel des ganzen „Apparats“ der katholischen Kirche sich nicht einfach „göttlichem Recht“ verdankt, sondern historisch gewachsen ist, vom Kontext und der jeweiligen kulturellen Situation geprägt wurde; und wie viel deshalb auch veränderbar ist. Das Einzige, was wirklich der „Kanon“, das unerschütterliche Richtmaß, dessen zu sein hat, wie wir Kirche zu organisieren haben, ist die Weise, wie Jesus Gemeinschaft gestiftet hat, und wie sich seine Jünger und Jüngerinnen aus der Begegnung mit dem Auferstandenen und dem pfingstlichen Einbruch seines Geistes in ihren Gemeinden zusammengefunden haben. Alles andere ist menschengemacht, historisch gewachsen – und kann deshalb auch verändert werden.

Lieber Bruder Papst, so wie Du auch, bin ich von meinem Ordenscharisma geprägt. Ich weiß mich Mary Ward verpflichtet, die vor mehr als 400 Jahren die Grenzen des damals kirchenrechtlich Möglichen sprengte. Sie brach aus den Mauern der Klausur aus und leistete damit einen wesentlichen Beitrag, um dem aktiven apostolischen Wirken der Frauen in der Kirche Bahn zu brechen. Ich denke, es ist wiederum an der Zeit, Mauern zu durchbrechen und dem lebendigen Geist Gottes Raum zu geben.

Es geht um das Evangelium

Leo, Du wirst als Mann beschrieben, der zuhören kann. Und deshalb habe ich auch den Mut mich mit biblischer Parrhesia, mit Freimut, ohne Angst und ohne Umschweife, an Dich zu wenden: Es ist höchste Zeit, dass Frauen ohne jede Einschränkung in alle Ämter und Ebenen der Kirche einbezogen werden. Nicht als Geste, nicht als Ausnahme, nicht als symbolisches Zeichen. Sondern in voller Gleichwertigkeit. Es geht nicht um Macht. Es geht um Würde. Es geht um Wahrheit. Es geht um das Evangelium.

Um eines klarzustellen: Ich will dieses Amt wirklich nicht. Ich habe es nie gewollt – und mit fast 70 Jahren wäre das auch lächerlich. Aber ich möchte mithelfen, dass das Ministerium, das Dienstamt in der Kirche sich von Grund auf wandelt. Dass wir es von der Wurzel her neugestalten, jesuanischer, geschwisterlicher. Nicht ein exklusives Vorrecht eines Geschlechts, sondern ein gemeinsames Dienen von Männern und Frauen. Dieses Amt wird sich verändern müssen, in seinen Symbolen, in seinen Inszenierungen, in allem.

Immer wieder höre ich das Argument: „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt und ein solcher Schritt würde ein Schisma provozieren.“ Es mag unangemessen erscheinen, Dich wenige Tage nach Deiner Wahl mit einem solchen Anliegen zu belästigen. Doch den richtigen Zeitpunkt gibt es wohl nie und das Thema verträgt keinen Aufschub mehr. Denn das Schisma vollzieht sich längst. Es ist der langsame, unaufhaltsame Exodus von Frauen (und Männern), die sich in einer Kirche, die symbolisch und strukturell männlich bleibt, nicht mehr wiederfinden. Bestenfalls passiert dieser Auszug unter Protest, doch meistens still, unbemerkt, frustriert. Der Skandal ist nicht ein bisschen rosa Rauch über dem Petersdom, der wahre Skandal ist vielmehr, dass die Repräsentation Jesu immer noch als männliches Privileg inszeniert wird.

Macht der Inszenierung

Die katholische Kirche ist eine wahre Meisterin der Inszenierung. Und diese Macht der Inszenierung klug eingesetzt, als prophetische Zeichenhandlung, ist ein hohes Gut: die erste Reise von Papst Franziskus nach Lampedusa, sein Kuss auf die Füße der muslimischen Asylbewerberin etc. Ich verstehe, dass Du ein Zeichen an manche Deiner Brüder im Kardinalskollegium senden wolltest, ihnen die Hand reichen wolltest, als Du bei Deinem ersten Auftritt wieder die rote Mozetta und die goldbestickte Stola trugst, die Papst Franziskus vor 13 Jahren abgelegt hatte, und als Du zugelassen hast, dass sie Deinen Ring küssen.

Aber gerade, weil Du ein Gespür für diese Signale hast, hoffe ich auch, dass Du verstehst, welches fatale Symbol es ist, wenn bei jeder Feier der Eucharistie, zentraler Ausdruck und Mitte der christlichen Gemeinde, wir Frauen allerlei zugestanden bekommen: wir „dürfen“ die Lesung lesen, „dürfen“ im Chor singen, wir werden nicht mehr als „unrein“ aus dem Altarraum ausgeschlossen und „dürfen“ vielleicht sogar ministrieren. Doch der, der der Eucharistiefeier vorsteht, der mit der Vollmacht ausgestattet ist, das Evangelium zu verkünden und das Wort Gottes in der Predigt auszulegen, der die Gegenwart Jesu Christi auf Brot und Wein herabruft – ist immer wieder und immer wieder unausweichlich ein Mann. Das ist keine nebensächliche Äußerlichkeit, mit der wir Frauen uns eben abzufinden hätten, – nein, das ist eine Wunde im Herzen der Kirche.

Wir werden schuldig

Ich bin gewiss keine Feministin der ersten Stunde oder in Gefahr, irgendwelchen Modeströmungen nachzulaufen, mich unkritisch, den Kriterien einer säkularisierten Welt zu unterwerfen. Ich bin vielmehr als konservative Ordensfrau erzogen worden. Doch wir braven Frauen in der Kirche, wir Angepassten, die, die wir immer wieder stillgehalten haben „um des größeren Ganzen willen“, wir werden schuldig, weil wir so mithelfen, das Antlitz Jesu in der Kirche zu entstellen.

Wir dürfen dies nicht mehr tun. Das Evangelium verpflichtet uns, uns aufzurichten aus unserer Verkrümmung. Euch Männern aufrecht und klar in die Augen schauen und eure Männerklüngeleien nicht mehr zulassen. Nicht, damit wir Frauen mehr Macht hätten. Nein, vielmehr deshalb, damit unser Dienst an der Welt gemeinsam glaubwürdiger wird.

Frau zu sein ist keine moralische Qualität, so wie es auch keine moralische Qualität ist, Mann zu sein. Wir sind Sünder und Sünderinnen, doch als diese berufen, Frauen wie Männer, Jesus Christus in dieser Welt, die so sehr nach Erlösung schreit, gegenwärtig zu setzen. Wir dürfen uns als Frauen nicht länger auseinanderdividieren lassen, in die bösen, aggressiven Feministinnen und in die Braven und Angepassten, die das System am Laufen halten. Und schon gar ich nicht in die „privilegierten Frauen des Nordens mit ihren Luxusproblemen“ und in die Katholikinnen des Südens, denen ihr Kampf ums Überleben lehren würde, worauf es wirklich ankommt. Es geht darum, als Frauen zu wirklicher schwesterlicher Solidarität zusammenzufinden, über alle kulturellen Differenzen hinweg, gemeinsam für eine gerechtere und menschlichere Welt einzustehen und so der Kirche zu einem Jesus ähnlicherem Antlitz zu verhelfen.

Viele sind inzwischen ausgezogen

Viele meiner Freundinnen, Weggefährtinnen, sind inzwischen aus dieser Kirche ausgezogen. Manche sind evangelisch geworden, weil sie dort das Amt gleichberechtigt ausüben dürfen, andere sind in die Politik gegangen, weil sie dort mehr bewegen können. Ich verstehe die einen und die anderen. Wieder andere sind in der Enttäuschung gestrandet, und dies macht mich wirklich traurig.

Mir steht keiner dieser Wege offen. Ich bin bis ins Knochenmark unheilbar und leidenschaftlich katholisch. Ich kann gar nichts anderes, als in dieser Kirche zu sein und zu bleiben. Doch deshalb erwarte ich auch von ihr mit sturer Hartnäckigkeit das menschlich scheinbar Unmögliche, dass sie sich wirklich, echt und tief dem transformierenden, pfingstlichen Geist Gottes aussetzt.

Vielen Klerikern möchte man zurufen, habt doch nicht so viel Angst! Warum haltet Ihr den so verbissen und so verknöchert am exklusiv männlichen Amt fest? Habt Mut loszulassen, redet nicht so viel von Evangelisierung, sondern lasst sie an Euch geschehen! Ihr werdet dabei nichts verlieren, außer Eurer Verbissenheit und Euren Ängsten; ihr werdet Euch vielmehr wiederfinden in einem reicheren, volleren Menschsein, fähig zum selbstlosen Dienst an den anderen, an dieser verletzten nach Heil und Erlösung dürstenden Welt.

Schulter an Schulter die Welt verändern

Lieber Bruder Papst, wir müssen dich erst kennenlernen. Doch ich halte Dich für einen mutigen Mann, für einen Mann, der seinen Brüdern die Angst zu nehmen vermag und zugleich den Mut hat, um das zu ändern, was in Stein gemeißelt scheint. Ich bin unendlich dankbar, wenn Du fortsetzt, womit Du Dein Papstamt begonnen hast: Frieden. Sprich mit Mut und Autorität gegen die autoritären Machos dieser Welt und ihre tödlichen Strategien. Steh auf gegen die Abschottungspolitik des Nordens gegen die Migrantinnen und Migranten. Doch habe auch den Mut, die Mauern zu durchbrechen, die Deine Schwestern im Glauben, die, die diese Kirche weithin tragen, immer wieder ausschließen und vor den Kopf stoßen. Frauen sind ebenso zu Führung und Verantwortung fähig wie Männer. Vielleicht sind sie darin in einiger Hinsicht sogar besser, so wie das gewiss auch umgekehrt gilt.

Ich will nicht, dass diese Kirche als archaisches Relikt, als Spiegel einer nicht mehr haltbaren Gesellschaftsordnung überbleibt. Ich will, dass wir Schulter an Schulter – Frauen und Männer – diese Welt verändern. Und dazu gehört, dass wir mit der vollständigen Integration der Frauen in alle Leitungsämter der Kirche beginnen. Sofort. Nicht irgendwann.

Mit Entschlossenheit, Liebe zur Kirche und brennender Hoffnung,

Deine Schwester Martha

Martha Zechmeister CJ ist Professorin für Systematische Theologie an der Universidad Centroamericana (UCA) in El Salvador.

Quelle: https://www.feinschwarz.net/lieber-bruder-papst-leo/

 

Haben auch Sie Alltagsgeschichten erlebt, die Hoffnung machen? Wenn Sie sie mit uns teilen mögen, freuen wir uns unter hoffnung@franziskaner.de auf Ihre Erzählung.