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Tina ist nicht nur ein Frauenname. Das Buchstabenkürzel steht auch für den englischen Satz „There is no alternative“ – „Es gibt keine Alternative!“

Margaret Thatcher hat das Tina-Prinzip in der Politik populär gemacht. Inzwischen begegnet diese Argumentationsfigur so häufig in öffentlichen Diskussionen, dass der Begriff „alternativlos“ sogar zum deutschen Unwort des Jahres 2010 gekürt wurde.

Natürlich kann Tina missbraucht werden. Mit dem Stempel „Alternativlos!“ kann jemand eine bestimmte Position gnadenlos durchdrücken. Tina steht aber auch für echte Not. Nach langen und ehrlichen Diskussionen können Sätze fallen wie: Trotz aller Bedenken – uns bleibt letztlich nichts anderes übrig. Ich kann gar nicht anders, als so zu entscheiden. Die Umstände zwingen uns. Da sind mir die Hände gebunden.

Nun heißt die Patronin der Deutschen Franziskanerprovinz allerdings nicht Tina, sondern Elisabeth. An dieser jungen Frau fasziniert eine unglaubliche innere Freiheit und spontane Kreativität, mit der sie sich spielerisch leicht und oft auch provozierend über Grenzen hinwegsetzt. Wir kennen diese Beispiele aus ihrer Biografie: Als Kind schon habe sie beim Spiel mit anderen Kindern manche Runde „aus Liebe zu Gott“ ausgesetzt. Fromm hört sich das an. Das war es wohl auch. Aber die andere Seite dieser Frömmigkeit heißt: Da mach ich nicht mit! Auch später durchbricht sie gerne das höfische Zeremoniell und fällt ostentativ aus der Rolle: In der Prozession geht sie in einfachen Kleidern mit dem gewöhnlichen Volk. Vor dem Kreuz legt sie demonstrativ die Krone ab. Bei Tisch weigert sie sich, von unrechtmäßig erpressten Speisen zu essen. Die Legende erzählt, dass sie Arme in die landgräflichen Privatgemächer aufnimmt. So ein Verhalten war „unmöglich“! Das geht einfach nicht, werden viele kopfschüttelnd gedacht haben. Sie hat es gemacht! „Na bitte, geht doch!“, könnte sie gesagt haben. Vieles geht auch anders!

Vieles geht auch anders! Das ist eine praktische Umschreibung für persönliche Umkehr, ohne moralischen Druck und schlechtes Gewissen. Eingefahrene ungute Gewohnheiten, subtile Abhängigkeiten und antrainierte Ausweichmanöver gibt es wohl bei jedem. Ich kann aus diesen Mustern nicht von heute auf morgen raus. Aber es muss auch nicht auf ewig so weiter gehen. Ein trockener Alkoholiker oder jemand, der mit dem Rauchen aufgehört hat, sie haben erlebt: Es geht auch anders.

Festgefahren ist auch vieles im Zusammenleben: Das war schon immer so. Das Gegenteil hat noch nie funktioniert. Ich habe öfter erlebt, dass eine Gemeinschaft noch nicht soweit war, eine klare Entscheidung zu treffen, aber doch bereit, einmal ad experimentum etwas anderes auszuprobieren. Manchmal wurde dann aus dem Experiment auf Zeit eine gute neue Gewohnheit: Es geht auch anders! Wenn man nur zwei Möglichkeiten hat, scheint eine davon leicht alternativlos. Dann kann es reizvoll sein, die Palette der Möglichkeiten zu erweitern: nicht schwarz oder weiß, sondern vielleicht rot oder gestreift. Plötzlich die überraschende Einsicht: Mensch, es geht ja auch anders!

In der Kirche funktionieren bisherige Formen und Strukturen immer weniger. Manches, was gestern noch ging, geht heute nicht mehr. Aber das muss ja nicht heißen: Es geht gar nichts mehr. Vielleicht geht manches auch ganz anders. Es wäre nicht die schlechteste Form, die heilige Elisabeth zu verehren, wenn sie uns zum Nachdenken darüber bringen könnte, ob das ein oder andere nicht auch anders geht. Politik heißt: nach Alternativen suchen. Geistliches Leben auch.

Manches ist alternativlos. Alles nicht. Es gibt Sachzwänge. Aber es gibt auch Kreativität und den Heiligen Geist. Es ist unmöglich, alles anders zu machen. Elisabeth von Thüringen lädt ein, unsere Klaviatur und unsere Spielräume zu erweitern und nach neuen Alternativen zu suchen. Sie zeigt: Vieles geht auch anders!

Cornelius Bohl OFM, Provinzialminister der Deutschen Franziskanerprovinz von der hl. Elisabeth

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