Leben teilen – Impressionen vom Katholikentag

Vom 25.-29. Mai 2022 fand unter dem Motto “Leben teilen” der 102. Deutsche Katholikentag in Stuttgart statt. Die Franziskanische Familie war dort wieder mit einem umfangreichen Programm präsent, u.a. mit einem Stand auf der Kirchenmeile.

Nachlese zum Katholikentag in Stuttgart

Um den Stand von clara.francesco aufzubauen und noch Notwendiges zu besorgen, reiste das Kernteam schon am Montag in Stuttgart an. Mit viel Elan, Zeit und Kraft haben sie die Standpräsenz organisiert, die Präsentation geplant und durchgeführt. Ein ganz besonderer Dank gilt vor allen Sr. Katharina Horn, Vierzehnheiligen und Thea Kehl, die die Hauptlast der Organisation getragen haben.

Um Franziskus und Klara präsent zu setzen, wurden von Br. Michael Blasek ansprechende Figuren und ein Wimmelbild gestaltet. Manchmal wanderten die Figuren auch durch die Menge, um so mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ansonsten luden sie im Zelt zu einem franziskanischen Erinnerungsfoto ein. Hinreißend wirkten wir immer die Sprechpuppen von Franz und Klara, über die es leichtfiel, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Fragen aus dem Talkbox-Kasten halfen, mit den Menschen in ein tieferes Gespräch zu kommen z. B. „Meinen Sie, dass das Priestertum der Frau wichtig ist, und wird es kommen?“ Und auch einfach mal hinsetzen und ein Tau schnitzen in freundlicher Atmosphäre wurde gerne angenommen. Viele schöne Begegnungen, strahlende Gesichter und ein echt geschwisterliches Miteinander prägten die Zeiten am Stand. Dreimal am Tag wurde eine kurze Gebetszeit mit dem neuen Sonnengesangslied von Br. Helmut Schlegel gestaltet. Auch viele hundert gefaltete Friedenstauben fanden neue Besitzer.

Deutlich zu spüren war aber auch an der Kirchenmeile, dass der diesjährige Katholikentag sehr viel weniger Besucher hatte als sonst.

Da jeder Katholikentag ja persönlich gestaltet wird, kann ich jetzt nur ein paar Blitzlichter von einigen Angeboten geben, die ich besucht habe.

Miteinander für Europa

Miteinander für Europa ist eine Initiative von europaweit mehr als 300 christlichen Gemeinschaften und Bewegungen verschiedener Kirchen. Als eigenständige Gruppierungen bilden sie ein Netzwerk, das sich für gemeinsame Ziele einsetzt, wobei das je eigene Charisma zum Tragen kommt.

Miteinander für Europa will die wichtigen Herausforderungen des europäischen Kontinents aufgreifen, um die Charismen der Bewegungen und Gemeinschaften fruchtbar werden zu lassen für das Wohl der Menschheit. Es umfasst vielfältige Aktivitäten im Hinblick auf Versöhnung und Frieden, auf den Schutz des Lebens und der Schöpfung, auf eine gerechte Wirtschaft, auf Solidarität mit Armen und Außenseitern, auf die Familie, das Wohl der Stadt und der Geschwisterlichkeit in Europa.

Kirche kann bunt

Mit einem sehr guten theologischen Einstieg in das Thema durch Fr. Dr. Katrin Brockmöller wurde mit den Podiumsteilnehmer*innen: Fr. Mechthild Heil, Bischof Dr. Helmut Dieser, Veronika Gräwe und Sr. Philippa Rath Frauen und Queere Menschen in der Kirche diskutiert. Moderation: Brigitte Vielhaus.

Bischof Dieser musste sich dabei auch kritischen Publikumsfragen stellen. Deutlich wurde, dass die Geduld vieler Katholiken am Anschlag steht und dass ein dringender Handlungsbedarf in der Kirche besteht.

Weil Gott es so will

Nach der Einführung über die Entstehungsgeschichte des gleichnamigen Buches durch Sr. Philippa Rath, erzählen drei Frauen, die in diesem Buch ihre Berufung zum Priestertum geschildert haben, wie es ihnen nach dem Erscheinen des Buches ging und wie wichtig es für sie war, öffentlich zu ihrer Berufung stehen zu können. Beeindruckend war der Besuch der ältesten katholischen Priesterin Deutschlands. Fr. Ida Rahming (89 Jahre) wurde 2002 gegen das Kirchengesetz auf der Donau zur Priesterin geweiht und deshalb exkommuniziert. Munter bezeichnet sie sich selbst als die älteste exkommunizierte Kirchensteuerzahlerin Deutschlands. Mit einem versöhnten Herzen steht sie nach wie vor kraftvoll für die Priesterweihe der Frau ein. Eine beeindruckende Frau mit einem beeindruckenden Zeugnis!

Schwester, wir hören dich: Einsatz gegen Missbrauch an Ordensfrauen weltweit

Ein sehr trauriges Podium mit Dirk Binger, Missio Aachen, Sr. Anne Beatrice Faye, Kirchliche Frauenrechtlerin aus Burkina Faso, und Sr. Anna Malisova aus Kamerun. Der Missbrauch von Ordensfrauen in Afrika hat verschiedene Ursachen: Die Gemeinschaften sind oft arm und haben nicht genug Geld, um die notwendige Kleidung oder Ernährung der Schwestern sicherzustellen. Priester, die über das Geld verfügen, lassen sich dies oft durch sexuelle Gegenleistungen „bezahlen“. Die Schwestern sind oft nicht gut ausgebildet und können sich den höherstehenden und gebildeteren Priestern oft nicht erwahren, wenn sie den Missbrauch theologisch begründen und vertuschen. Junge Frauen, die in den Orden eintreten wollen und dazu ein kirchliches Führungszeugnis benötigen, werden von Priestern zu sexuellen Gegenleistungen erpresst. Aber auch geistliche Begleitung, Beichte und Dämonenaustreibungen bieten Raum für sexuellen Missbrauch. Nur 10 % der Bischöfe sind bereit, über dieses Thema zu sprechen. Bei den anderen 90 % müssen die Schwestern und ihre Gemeinschaften mit Repressalien bei einer Anzeige rechnen. Auch die beiden Schwestern müssen für ihre Teilnahme an diesem Forum mit Konsequenzen ihrer Bischöfe rechnen. Das schlimmste, was den Priestern widerfahren kann, ist eine Versetzung. Die beiden Schwestern betonen, wie wichtig für die Schwestern in Afrika es ist zu erleben, dass in Deutschland über dieses Thema offen gesprochen wird und dass die Täter zunehmend bestraft werden. Sie baten die Gemeinschaften, die Schwestern in Afrika oder anderen Ländern haben, mit ihnen über dieses Thema zu sprechen, damit die Schwestern sprachfähig werden. Sexueller Missbrauch ist selbst unter den Schwestern ein Tabuthema. Missio Aachen hilft den Schwestern, indem sie die finanzielle und intellektuelle Abhängigkeit der Schwestern von Priestern zu verkleinern versuchen. Es ist ein Skandal, dass der Vatikan von diesen Missständen seit vielen Jahren Kenntnis hat und nicht eingreift.

Am Samstagabend bauten wir dann unser Zelt wieder ab, voll mit vielen Eindrücken, frohen Begegnungen und dem Vorsatz, dass wir uns in zwei Jahren in Erfurt wiedersehen.

Sr. Christina Mülling

Fotos, wenn nicht anders angegeben Sr. Christina Mülling